„Ich bin schwanger!“. Diesen Satz höre ich nun bereits zum zweiten mal von meiner Frau. Das erste mal liegt 3 Jahre zurück und man sollte meinen, daß sich in der Zeit etwas verändert hat. Hat es auch. Doch auch wenn ich das ganze schon einmal durchlebt habe, es geht mir wie beim ersten Mal: unbeschreibliche Freude. Und irgendwo da unten in der Magengegend ein komisches Gefühl. Wird alles gut gehen, wird es ein Junge oder ein Mädchen, wird das Kind gesund sein? Alles Fragen, die einem durch den Kopf schiessen. Die Antwort darauf kann im Vergleich zur ersten Schwangerschaft komplett anders ausfallen. Das komische Gefühl kommt jedoch mehr aus der Ecke: War das jetzt wirklich die richtige Idee zum richtigen Zeitpunkt? Bin ich einem zweiten Kind überhaupt gewachsen, wie schaffen wir 2 Kinder in Einklang mit Beruf und Beziehung zu bringen, wird das zweite Kind einfacher sein? Letztendlich sehr egoistische Fragen, die mir durch den Kopf schiessen und die mir in sehr ähnlicher Form auch beim ersten Kind durch den Kopf gingen. Dabei sollte man meinen, daß zumindest ein Teil davon ja mittlerweile beantwortet sein sollte und im zweiten Durchgang keine so große Herausforderung mehr darstellen sollte. Dachte ich bis eben auch, trotzdem fühle ich mich unerfahren wie beim ersten Mal?

Unser erster Sohn war schlaftechnisch durchaus zeitraubend. Das geht nicht allen Eltern so, aber die tatsächlich betroffenen gehen im wahrsten Sinne des Wortes am Stock. Schlafentzug ist Folter und junge Eltern, die entsprechend terrorisiert werden schalten in einen sehr introvertierten Überlebensmodus. Schlafentzug führt irgendwann dazu, daß man nur noch um seine eigenen Schlaf-Bedürfnisse ringt und immer weniger Verständnis für andere und vor allem den Partner aufbringt. Allein schon deswegen war unser erster Sohn auch eine starke Belastung für die Beziehung. Selbst als das Schlafen dann nach 2 Jahren besser wurde brauchten die rosa Wolken ein gutes weiteres Jahr um ihre Arbeit zu vollenden. Und schließlich schien ein zweites Kind eine großartige Idee zu sein. Denn immerhin gibt es ja unglaublich viele, wahnsinnig schöne Momente mit einem Kind. Und an genau die erinnert man sich natürlich, wenn man eine so schwerwiegende Entscheidung trifft. Alle durchlebten Strapazen wandern subsummiert in die Aussage „das wird schon klappen“ und Mutter Natur legt den Schalter zur Fortpflanzung um. Bei der Frage wie es zu der Entscheidung kam spricht also vieles für Verdrängung.

Trotzdem ist die gemeinsame Entscheidung ein Kind zu bekommen ein sehr langer Prozeß, in dem allerdings erstaunlich wenig passiert. In erster Linie vergeht Zeit. Zeit, in der man sich mit dem Gedanken anzufreunden beginnt, dass sich mit Kind etwas verändern würde. Aber was, das weiss keiner so genau. Die Entscheidung für das erste Kind war bei mir in dem Moment gefallen, in dem meine Frau sich bereit fühlte. Beim Zweiten Kind war das genauso. Keine Entscheidung auf rationalen Argumenten, eher eine Bauchentscheidung? Viele Faktoren spielen für die Gründung einer kleinen Familie eine Rolle. Am Anfang steht die Sehnsucht nach Geborgenheit und Heimat. Ich selbst bin mit zwei Brüdern groß geworden. Auch wenn nicht immer alles rosig war, für mich war immer klar: Familie macht das Leben lebenswert. Diese Lebens-Veränderung erscheint einem als Kinderloser schön und erstrebenswert. Gedanken über andere, weniger schöne Änderungen werden seltsamerweise erst konkret angegangen, sobald die Entscheidung umgesetzt ist. Ich vermute das geht jedem unterschiedlich stark so. Schließlich kann man sich ja auch vor der Entscheidung entsprechende Informationen zusammen suchen. Aber auch wenn man das gewissenhaft tut wird es Situationen geben, die sich anfühlen als nähme man die Packungsbeilage mit den Nebenwirkungen erst zur Hand, wenn das Medikament schon eingenommen ist. Man kann die Nebenwirkungen im Prinzip beim Lesen direkt an sich beobachten. „Wow, da stehen aber viele Nebenwirkungen drin. Genau betrachtet sind das ja sogar mehr Nebenwirkungen als der eigentliche Nutzen des Medikaments“. Das geht mir sehr oft so bei Medikamenten, und klar, man hätte die Nebenwirkungen sicher vorher lesen können. Aber hätte man sie auch wirklich verstanden? Und wenn man sie verstanden hätte, hätte man sie dann auf seine aktuelle Lebens-Situation übertragen können? Schwierig, denn genau diese ist ja nach der Geburt des Kindes nicht mehr vorhanden. Neben Verdrängung spricht also vieles für Naivität — wird schon gut gehen.

Beim genaueren nachdenken scheinen mir Verdrängung und Naivität nicht die besten Ratgeber zu sein und ich muss an ein Gespräch mit meinem 3-jähirgen Sohn über Jäger denken. Ich hatte ihm sehr ausführlich erklärt, daß Jäger keine Mörder sind, sie vielmehr darauf achten, dass in der Natur ein Gleichgewicht zwischen den unterschiedlichen Tier-Arten herrscht. Nach langem Reden fragte er mich (einfach so): „Papa, und wer kümmert sich darum, daß es nicht zu viele Menschen gibt?“. Keiner. Keiner tut etwas gegen Verdrängung und Naivität. Aber das ist auch gut so. Schließlich sind Kinder am Ende vor allem eins: Ein großes Wunder und Abenteuer. Und wie bei jedem Abenteuer ist man im Nachhinein froh, daß man vorher nicht zu genau Bescheid wusste. Denn hätte man es sonst gemacht?