Wenn meine Kinder fluchen, dann ist das meistens ziemlich amüsant. Unter größter Anstrengung werden beleidigende Wörter ausgespuckt wie Stinkekäse, Brotfisch, gefällter Baum, Pflaumenwurst oder ähnliches. „Du alte Matschbanane!“ sagte kürzlich ein 5-jähriger Kindergarten-Freund meines Sohnes zu mir. In der tiefsten Überzeugung, daß er damit schon ziemlich beleidigend ist. Als Vater freue ich mich über die Schimpfwörter und kann mit der Häme leicht umgehen. Schließlich ist mir klar, daß sie nur experimentieren – sie ihr Sprachgefühl und ihre Wirkung auf andere ausprägen. Mit schauspielerischem Talent spiele ich mit und bin mindestens genauso beleidigend in meiner Reaktion „du kleiner Wurmvogel!“. Leichte Übung.

Wenn meine Kinder dann so richtig sauer sind überraschen sie mich gelegentlich mit ein wenig Feedback: „Papa, wenn Du das jetzt nicht machst bekommst du heute keine Süßigkeiten mehr“ oder mein großer Sohn zu meinem Kleinen „das sage ich Dir jetzt wirklich zum letzten Mal“. In diesem Momenten merkt man wie wenig besser man es doch macht als die eigenen Eltern und wie wenig man sich denn dann doch zusammen reißen kann, wenn es hart auf hart kommt. Schließlich hört man ja nur die Wiederholung der eigenen, sicher nicht nur einmal gebrauchten Sätze. „Wenn Du nicht sofort aufhörst bin ich echt sauer“ hörte ich meinen Sohn sagen und fragte mich, warum mir nicht bereits beim Formulieren dieses Satzes der Gedanke gekommen war wie sinnlos und töricht er denn ist. Hatte er wirklich (wahrscheinlich sogar mehrmals) durch den Kopf meines Sohnes wandern müssen? Und kam der Satz nun zurück, weil er ihn trotz des vielen Anwendens einfach nie verstehen und auf seine Situation hatte übertragen können? Und wie, wenn nicht durch Ausprobieren am (Satz-)Erzeuger, sollte er denn rausfinden was eine angemessene Reaktion darauf sein könnte?

Für Optimisten steckt darin die Chance mit Vorbild-Charakter zu antworten und mit gutem Beispiel voranzugehen. „Ist mir ehrlich gesagt egal, wenn Du sauer bist!“. Für Pessimisten: auch Väter machen Fehler. Ja tatsächlich, und das trotz der zahlreichen Erziehungsratgeber, die wir gelesen haben und bei denen wir oft dachten: „also bitte, das ist ja jetzt wohl echt nichts Neues.“ Kleine Korrektur für meinen Fall: Trotz der vielen Erziehungsratgeber, die meine Frau gelesen hat, und aus denen sie mir die wichtigsten Dinge erzählt hat. Da sieht man mal wieder – hätte sich sowieso nicht gelohnt – vor allem  wenn man berücksichtigt wie lange ich dafür gebraucht hätte. Bin da aber sicher nur ein Einzelfall. Wie dem auch sei, Menschlichkeit lässt sich in der Regel sowieso nicht verhindern. Und schließlich ist man als Vater zwar in einer neuen Rolle, hat aber keine entsprechende Ausbildung.

Richtig spannend wird es dann, wenn die kleinen Drachen wirklich schimpfen und Dinge sagen wie „Du Arschloch“, „Du Kacknelke“ oder „Du Blöde Kuh“. Auch wenn hier gerade an der deutschen Sprache herum experimentiert wird und man sich das vielleicht sogar bewusst macht… Ich für meinen Teil zumindest kann nicht verhindern sauer zu werden und verletzt zu sein. Am meisten gehe ich aus dem Sattel bei „Du Schwein“, ich kann nicht sagen warum. Letztlich habe ich keine größeren Vorbehalte gegenüber Schweinen als gegenüber anderen Tieren. Es ist wie verhext. Ich weiss, daß mein Sohn gar nicht genau weiß was er sagt und es am Ende auch nur tut um mich zu provozieren. Aber er schafft es, ich werde so richtig sauer und reagiere rollen-konform: „Das sagt man nicht.“ „Du Schwein!“ „Hör bitte sofort auf damit!“ „Du Schwein!“ „Noch einmal und wir gehen sofort nach Hause.“ „Du Schwein!“. Der Nachmittag hätte schöner enden können als ein schreiendes Kind unter Beobachtung unzähliger Eltern vom Spielplatz zu tragen.

Ein beunruhigender Gedanke entsteht ganz hinten rechts in meinem Kopf. Haben Sie dieses Verhalten oder diese Schimpfwörter etwa auch an mir beobachtet? Und wiederholen sie diese jetzt lediglich? Der Gedanke nagt an mir. Ich verwende sicher nie den Ausdruck „Du Schwein!“, dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Und eigentlich mache ich doch immer das was man mir sagt. Also, wenn es mir sinnvoll erscheint zumindest. Natürlich nicht, wenn mein Sohn nackt ohne Windel auf dem Teppich spielen will. „Kleiner Mann, Du musst Dir eine Windel anziehen.“ „Nein!“ „Doch!“ „Nein!“ und so weiter. Ich kämpfe den Gedanken klein im Verständnis, daß wie so viele Male doch wieder ich schuld bin und er (so wie sein Vater) es einfach nur mal schaffen will etwas zu tun, was der Papa nicht will. So schmeckt die Freiheit – schreiend im Klammergriff auf dem Weg vom Spielplatz nach Hause.